Männer mit roten Haaren lösen bei ihm Beklemmungen aus

Herr F. sammelt Dinge. Die Möbel hat er sich fast alle vom Sperrmüll zusammengesucht, auch den Plattenspieler, den er stolz zeigt, hat er gefunden. Die Wände seiner Wohnung hat er in warmen Tönen gestrichen und selbstgemalte Bilder aufgehängt. Er liebt es zu malen – und er hat Talent. Weiße Wände ertrage er nicht, sagt Herr F. Sie erinnern ihn an früher. An die Zeit in der Kinderpsychiatrie und im Kinderheim.

Herr F. hat nur die ersten zwei Lebensjahre bei seinen Eltern verbracht. Die Familie lebte extrem beengt. Seine Eltern waren mit der Erziehung überfordert, genauso wie seine Großeltern, bei denen er die Zeit bis zur Einschulung verbrachte. Sie schickten den Jungen in ein Klosterinternat. Dort blieb er bis zu einem Eklat. Er habe einer Nonne ins Bein gebissen – und sei daraufhin Ende der 1960 er Jahre in die Kinderpsychiatrie verlegt worden. „Dort begann mein schweres Schicksal“, sagt Herr F. Die Missstände, die in der Einrichtung damals herrschten, wurden bereits wissenschaftlich aufgearbeitet.

„War ich wütend, kam ich in eine Gummizelle“

Man habe ihn ans Bett fixiert, er sei mit Elektroschocks behandelt worden. „War ich wütend, kam ich in eine Gummizelle“, erinnert sich der 64-Jährige, der auch öffentlich darüber Zeugnis abgelegt hat. Noch schlimmer sollte es für den schwer traumatisierten Jungen dann nach seiner Entlassung werden. Statt zurück ins Internat ging es ins Kinderheim. Der Mann der Leiterin der Jugendhilfeeinrichtung, er nennt ihn seinen Pflegevater, habe ihn über Jahre missbraucht. Er habe rote Haare gehabt. Bis heute werde ihm ganz anders, wenn er Männer mit roten Haaren sehe. Auch Flaschen einer speziellen Weinbrandmarke, die der Mann trank, lösen Beklemmungen in ihm aus.

Seine erste Wohnung nach dem Auszug aus dem Heim war allerdings auch kein Ort der Geborgenheit. Sie bestand aus einem Zimmer, die Toilette habe aus einem Eimer bestanden – verborgen in einem Loch „unterm Teppich im Schlafzimmer“. Den Eimer habe er immer im Keller ausleeren müssen, erinnert sich Herr F. Eine Dusche gab es nicht. Aber wichtiger war: Er war dort außerhalb der Reichweite vom Pflegevater.

Er war auf der Sonderschule – heute liest er Gedichte von Rilke

Heute wohnt Herr F. mit seiner Katze in einer kleinen Zweizimmerwohnung. Die Katze ist sein Ein und Alles. „Sie ist mein Halt“, sagt er. Seine traumatische Kindheit hat Herr F. in jahrelanger Therapie aufgearbeitet – und auch den Verlust seiner einzigen großen Liebe. Angelika starb 1991 an Krebs. Die gezeichnete Rose, die sie ihm einst geschenkt hat, hängt in seinem Schlafzimmer an der Wand. Sie erinnert ihn an die gemeinsame, viel zu kurze Zeit.

Eines der Bilder von Herrn F.
Foto: vv

„Ich bin ein positiv lebender Mensch – trotz allem“, betont Herr F. Wenn ihn die Albträume plagen, findet er Trost in Gedichten. Er ist ein Liebhaber von Rilke. „Rilke ist mein Retter“, sagt Herr F. Sein Lieblingsgedicht ist „Der Panther“. Auch vom Dalai Lama hat er viel gelesen. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil Herr F. wegen Legasthenie auf einer Sonderschule für Kinder mit Lernschwierigkeiten war. Heute liest er nicht nur gerne, er ist auch kulturell sehr interessiert, die Bonuscard plus Kultur nutzt er ausgiebig. Er geht ins Theater und besucht die Konzerte der Stuttgarter Philharmoniker.

Herr F. benötigt einen neuen Herd und ein Sofa

Nur, dass es mit dem Arbeiten nicht mehr klappt, macht Herrn F., der einen Grad der Behinderung von 80 und Diabetes hat, zu schaffen. Er hatte es ohne Schulabschluss durchweg schwer auf dem Arbeitsmarkt. Er habe nur Hilfsarbeiterjobs gefunden. Er habe in der Vergangenheit schon alles mögliche gemacht: Toiletten geputzt, Autos gereinigt, war Lagerarbeiter und Elektrokabelzieher. Seine letzte Beschäftigung war bis vor einigen Monaten eine vom Jobcenter finanzierte Maßnahme bei der Schwäbischen Tafel, aber auch die sei nun ausgelaufen, bedauert er. Ihm fehlt der Zusatzverdienst. In den Containern der Supermärkte schaut er nach weggeworfenen Lebensmitteln. Eine Kiste mit Zitronen, die im Wohnzimmer steht, hat er zum Beispiel ergattert.

Sein Herd ist allerdings kaputt gegangen. Die Stadtmission der Evangelischen Gesellschaft hat deshalb einen Antrag bei der Aktion Weihnachten gestellt. Auch ein Sofa wünscht sich Herr F. als Ersatz für die beiden Matratzen, die er im Wohnzimmer aufeinandergelegt hat. Die Benefizaktion will die Wünsche erfüllen.

So können Sie spenden

Spenden Die Aktion Weihnachten freut sich über Spenden. Die Konten lauten: Baden-Württembergische Bank, IBAN DE04 6005 0101 0002 3423 40, oder Schwäbische Bank, IBAN DE85 6002 0100 0000 0063 00. Wenn Ihr Name als Spender in der gedruckten Zeitung veröffentlicht werden darf, vermerken Sie das bitte unbedingt bei der Überweisung. Sachspenden können wir aus logistischen Gründen leider nicht annehmen. Alle Artikel zur laufenden Benefizaktion lesen Sie hier.