„Ich hatte nichts mehr“ – Mit dem Ranzen und zwei Koffern ins Frauenhaus

Was mitnehmen in ihr neues Leben? Frau P. weiß noch, wie sie vor den beiden Koffern saß – einer war für ihre Tochter Ella (Name geändert), einer für sie selbst. Es passt nicht viel in so einen Koffer. Ihr war klar: Was sie nicht mitnimmt, „bleibt für immer weg“. Ihre Lieblingsschals packte sie ein, die guten Wanderschuhe ließ sie zurück. Das wird sie später bereuen, als Ella welche braucht für einen Schulausflug und sie neue kaufen muss. Mutter und Tochter haben die gleiche Größe.

Sie packte in großer Eile an diesem unvergesslichen Morgen, dann ging es los ins Frauenhaus. Ella hatte ihren Schulranzen auf dem Rücken, Frau P. nahm die Koffer. Sie war schon einmal von ihrem Partner weggelaufen, weil er sie schlug und verbal erniedrigte. Einmal habe er fast die Tür eingetreten, als sie sich einschloss. Als sie das erste Mal wegrannte, um seinem Jähzorn zu entkommen, war sie zurückgekehrt. Doch diesmal würde sie das nicht tun. Auch wegen Ella, der die Auseinandersetzungen zuhause zunehmend zusetzten. „Ich wollte nicht, dass sie so aufwächst“, sagt Frau P.

Die Schule hat den Rettungswagen gerufen

Im Frauenhaus holten Mutter und Tochter ihre Ängste ein. Ella hatte Panikattacken, auch in der Schule, sodass die Lehrkräfte den Rettungswagen riefen. „Wir mussten beide in Therapie“, erzählt Frau P., vor sich eine Tasse Früchtetee. Ella kam in die Kinder- und Jugendpsychiatrie, sie selbst wegen ihrer posttraumatischen Belastungsstörung und Depressionen in eine Klinik für Erwachsene. Nur am Wochenende konnten Mutter und Tochter sich in dieser Zeit stundenweise sehen und auch nur, wenn sie stabil genug dafür war.

Der Partner von Frau P. weiß nicht, wo die beiden leben. Frau P. hat sogar die Ärzte gewechselt, damit er sie nicht ausfindig machen kann. Sie hat nicht nur vor ihm und seinem Jähzorn Angst, sondern auch vor seinem Bruder, der noch brutaler sei als ihr Ex-Freund. Der habe die eigene Frau schon mehrfach fast zu Tode geprügelt. Offenbar liege die Gewalt in der Familie. Verlassen zu werden könnten beide Brüder nicht akzeptieren.

Die Wohnung ist beim Einzug komplett leer

Warum sie trotz der Gewalterlebnisse rund drei Jahre bei ihm geblieben ist? Sie kann es schwer erklären. Sie habe ihn dennoch geliebt. Und nach seinen Ausrastern gelobte er stets Besserung. Dass es ihn nicht störte, dass sie eine Tochter hat, fand sie natürlich gut, als sie zusammenkamen. Er habe für Ella sogar einen Hund gekauft. Sich von dem Tier zu trennen, sei sehr schwer gewesen für ihre Tochter. Erst später hat Frau P. begriffen, dass ihr Ex-Partner sie selbst über den Hund an sich binden wollte.

Mutter und Tochter haben inzwischen eine Wohnung gefunden, ein neues Zuhause weit weg von der alten Wohnung, in dem noch vieles fehlt, um sich geborgen zu fühlen. Sie sei ja nur mit den Koffern und ein paar Tüten eingezogen, sagt Frau P. bei dem Gespräch, das in Begleitung einer Mitarbeiterin des Kinderschutzzentrums stattfindet. So fehlt es an allem beim Einzug. An großem wie Betten, Schränken, Küchenschränken und Geräten. Wie an Kleinem: Teller, Besteck, Küchenhandtücher, Mülleimer. Sie braucht alles neu, weil sie alles zurückließ. Freundinnen helfen Frau P. mit Kleinigkeiten, bringen mal ein Salatbesteck und mal Löffel vorbei. Auch bekommt sie einen Zuschuss für die Erstausstattung vom Jobcenter, der aber reicht bei weitem nicht aus.

„Das ist für mich die Rettung“, sagt die Alleinerziehende

„Wie geht es weiter“, fragt sich Frau P., die auf einem Sofabett zum Aufpumpen schläft. Die 40-Jährige hat einen Pflegeberuf gelernt, ist aber aktuell noch krank geschrieben. Sie hatte eine Operation am Bauch, von der sie sich zusätzlich zu den psychischen Belastungen erholen muss. „Aber ich bin glücklich, dass ich überhaupt etwas habe“, sagt sie über die Wohnung. Und dass Ella ihr neues Zuhause gefällt. Die Zwölfjährige sei froh, wieder ein eigenes Zimmer zu haben. „Sie fühlt sich wohl“, sagt die Mutter.

Ella hat schon einige Bilder gemalt, damit die Wände nicht mehr so weiß sind. Das Kinderschutzzentrum hat sich wegen wichtiger fehlender Möbel an die Aktion Weihnachten gewandt. Es hat für die Alleinerziehende jeweils Betten für Mutter und Tochter, einen Küchenblock, ein Sofa und einen Schreibtisch für Ella beantragt. Die Benefizaktion ermöglicht der Alleinerziehenden den Kauf. Frau P. bedankt sich überschwänglich: „Das ist für mich die Rettung.“

So können Sie helfen

Konten Die Aktion Weihnachten freut sich über jede Spende, ob groß oder klein. Nur Sachspenden können wir aus logistischen Gründen leider nicht annehmen. Die Konten lauten: Baden-Württembergische Bank, IBAN DE04 6005 0101 0002 3423 40, oder Schwäbische Bank, IBAN DE85 6002 0100 0000 0063 00. Wenn Ihr Name als Spender in der gedruckten Zeitung veröffentlicht werden darf, vermerken Sie das bitte unbedingt bei der Überweisung. Alle Artikel zur laufenden Benefizaktion lesen Sie hier und in diesem Artikel, wie die Aktion Weihnachten arbeitet und was sie alles in diesem Jahr fördert.

BriefmarkeEine Sonderbriefmarke kommt in diesem Jahr der Aktion Weihnachten zugute. Sie hat einen Wert von 1,20 Euro, wobei 40 Cent (80 + 40) als Spende der Aktion Weihnachten und damit notleidenden Menschen und sozialen Projekten im Raum Stuttgart zugutekommen. Mit den Briefmarken lassen sich Sendungen bis 20 g (Brief national/Standardbrief) verschicken. Sie sind als 10er-Bogen im Online-Shop der BW-Post erhältlich. Bezogen werden können die Briefmarken hier.