Die fünf Kinder von Frau R. trauern unterschiedlich um ihren Vater. Ihre Tochter verarbeitet ihren Verlust, indem sie malt: große Herzen, die Sonne, ihre Familie. Ihre Bilder hängt die Grundschülerin in der Küche auf und zwar so, dass sie vom Fenster aus gut zu sehen sind. Damit ihr Vater sie auch sehen könne, hat sie ihrer Mutter erklärt. Der älteste Sohn will dagegen in seiner Trauer für sich sein, er schließt seine Zimmertür ab. Auch wenn sie an die Tür klopft, öffnet der 17-Jährige nicht. Aber wenn er irgendwann herauskomme, dann sehe sie an seinen Augen, dass er geweint habe.
Besonders schwer tut sich ihr zweitältester Sohn mit dem Tod des Vaters, der bald ein Jahr her ist. Warum habe sein Papa sterben müssen? Hätte man nach zwei Tagen die Geräte auf der Intensivstation nicht abgestellt, lebte er dann noch? Diese Fragen stellt er seiner Mutter immer wieder. Auch er muss immer noch viel weinen.
Der Mann war schon länger pflegebedürftig
Frau R. hat selbst Tränen in den Augen, als sie davon erzählt und wie unendlich lang ihr damals die Zeit vorkam, bis der Rettungswagen endlich bei ihnen war. Ihr Mann sei schon länger schwer krank gewesen, sie habe ihn gepflegt, teilweise unterstützt von den großen Söhnen. Er konnte sich nicht mehr selbst duschen, konnte den Löffel nicht zum Mund führen, weil sein Arm zu sehr zitterte. Sie musste ihn füttern. Herr R. litt unter anderem an einer Diabetes-Erkrankung, die immer wieder außer Kontrolle geriet. Das Problem war, dass er auch psychisch schwer krank war, deshalb viele Tabletten nahm. Es sei für ihren Mann schwer gewesen, wach zu bleiben.
Eines der Bilder, die die Tochter für den Vater gemalt hat. Ein Teil der Familie ist zu sehen.
Foto: Privat
„Ich musste ihn überall hinbegleiten“, sagt Frau R. Der Mann Ende 40 wäre sonst in der U-Bahn einfach eingeschlafen und nicht bei den Behörden angekommen, wenn ein Termin anstand. Manchmal hatte er psychische Ausnahmezustände, die dazu führten, dass er nicht er selbst war und sich in der Öffentlichkeit unangemessen verhielt. Er hat Bußgelder als Strafe bekommen, die zu einer Verschuldung der Familie geführt haben.
Es macht sie glücklich, dass ihre Tochter zur Schule gehen darf
Immer wenn offizielle Schreiben kommen, benötigt Frau R. Hilfe. Sie stammt aus Afghanistan, durfte dort wegen der Taliban nie die Schule besuchen. Ihr Mann habe in ihrer Heimat für die Amerikaner gearbeitet. Er sei ein Mann mit „guten Ideen“ gewesen, dem wichtig gewesen sei, dass seine Kinder frei und sicher aufwachsen. So entschieden sie sich zur Flucht. Als sie sich auf den gefährlichen Weg machten, hatten sie drei Kinder. Ihr heute mittlerer Sohn wäre damals fast auf der Flucht verdurstet, sagt Frau R. Er war noch ein Baby und ihre Milch war versiegt. Niemand habe ihr Wasser gegeben, erzählt sie von ihrer damaligen Verzweiflung.
Ihre Schwester lebe noch in Afghanistan und kämpfe dort, seit ihr Mann gestorben ist, ums tägliche Überleben. Denn die Taliban haben verfügt, dass sich Frauen in der Öffentlichkeit nur bewegen dürfen, wenn sie von einem männlichen Verwandten begleitet werden. Frau R. ist froh, selbst in Deutschland zu sein. Es macht sie glücklich, dass ihre in Stuttgart geborene Tochter in die Schule geht, dass sie lesen und schreiben lernt. „Ich liebe diese Tochter so sehr“, sagt Frau R. – es ist einer der wenigen Momente, an denen sie strahlt.
Frau R. und drei Söhne haben keine richtigen Betten
Wegen der Schulden, die ihr Mann verursacht hat, muss sie weiter sehr aufs Geld achten. Sie haben nur einen Stuhl – auf dem habe vor seinem Tod ihr Mann gesessen. Die Kinder setzten sich zum Essen aufs Sofa oder auf den Teppich. Es fehlt an mehreren Betten. Frau R. schläft im Wohnzimmer auf einer dicken Matte. Ihr mittlerer Sohn nutzt das Sofa. Die beiden jüngsten Kinder haben Kinderbetten. Die großen Söhne schlafen wie die Mutter in ihrem Zimmer auf dem Boden; beim Zweitältesten lagert die komplette Kleidung der Familie im Raum.
Jetzt ist die Waschmaschine kaputt gegangen. Bei sechs Personen fällt viel Wäsche an. Alles wäscht Frau R. mit der Hand. Sie stelle sich in die Dusche und trete mit den Füßen auf die Wäsche, um sie einzuweichen, berichtet sie. Auch das Trocknen ist ein Problem, denn einen Trockenraum gibt es nicht in dem Haus.
Frau R. hat an einer Freizeit für trauernde Familien teilgenommen
Frau R. sei eine Frau, die sich sehr für ihre Kinder einsetze, sagt ihre Sozialarbeiterin, und die sich gut vernetzt habe. Und sie nehme die angebotene Hilfe an. So habe sie in diesem Sommer mit den drei kleinen Kindern an einer Freizeit für trauernde Familien teilgenommen, um sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Die Sozialarbeiterin sieht, wie sich ihre Klientin bemüht und hat sich wegen der fehlenden Betten, der Waschmaschine und der Stühle an die Aktion Weihnachten gewandt. Auch ein Trockner wäre in dem Fall hilfreich, da die Wohnung eigentlich zu klein ist, um so viel Wäsche auf Ständern zu trocknen. Die Benefizaktion will der Familie helfen.
So können Sie spenden
Konten Sie wollen die Benefizaktion unterstützen? Die Aktion Weihnachten freut sich über jede Spende. Die Konten lauten: Baden-Württembergische Bank, IBAN DE04 6005 0101 0002 3423 40, oder Schwäbische Bank, IBAN DE85 6002 0100 0000 0063 00. Wenn Ihr Name als Spender in der gedruckten Zeitung veröffentlicht werden darf, vermerken Sie das bitte unbedingt bei der Überweisung. Sachspenden können wir aus logistischen Gründen leider nicht annehmen. Alle Artikel zur laufenden Benefizaktion lesen Sie hier.
BriefmarkeEine Sonderbriefmarke kommt in diesem Jahr der Aktion Weihnachten zugute. Die Briefmarke zeigt einen Engel aus dem Kreativatelier des bhz, einer Stuttgarter Einrichtung für Menschen mit Behinderung. Die Sondermarke hat einen Wert von 1,20 Euro, wobei 40 Cent (80 + 40) als Spende der Aktion Weihnachten zugute kommen. Mit den Briefmarken lassen sich Sendungen bis 20 Gramm (Brief national/Standardbrief) verschicken. Sie sind als 10er-Bogen im Online-Shop der BW-Post erhältlich. Bezogen werden können die Briefmarken hier.
